Ruhe sollte weder eine Belohnung, noch eine Bestrafung sein.
Ruhe ist etwas, das wir in unserem Leben mal mehr und mal weniger spüren.
Manchmal ist unsere Batterie voll aufgeladen, manchmal ist sie leer.
In diesen leeren Momenten sind wir dazu aufgerufen innezuhalten.
Es ist ein natürliches Signal unseres Körpers, das uns einlädt langsamer zu werden, die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken und vielleicht eine Pause einzulegen.
Aber unsere kulturelle Prägung ruft uns dazu auf, stets beschäftigt zu sein, damit wir im Leben „vorankommen“ (was immer das bedeuten mag …).
Es erfordert Mut, uns dem Trend zu widersetzen und „nichts“ zu tun.
Nicht nur, weil wir uns von der kulturellen Norm des ständigen Tuns abwenden, sondern auch, weil sich das Anhalten an sich schon unangenehm anfühlen kann.
Ein Teil des Ruhens besteht darin, ruhelos zu sein.
Häufig meldet sich dann das Gefühl oder die Angst davor, etwas zu verpassen.
Dass das Leben an uns vorbeizieht und uns zurücklässt; dass alle anderen scheinbar ihr Leben im Griff haben und sich durchboxen.
Vielleicht melden sich Schuldgefühle, Scham oder das Gefühl ein Versager zu sein, weil wir erschöpft sind und nicht mehr können.
In Wahrheit ist es jedoch so, dass wir allen um uns herum viel mehr dienen, indem wir uns ausruhen.
Wir müssen lernen, innezuhalten und die Ruhe einfach geschehen zu lassen.
Wenn wir dem inneren Ruf nach Ruhe nachgeben, sind wir meist bereits über das gesunde Maß erschöpft, ausgelaugt und häufig überfordert!
Wenn wir uns dann also endlich der Ruhe hingeben, sind wir mit großer Wahrscheinlichkeit überfüllt von Gedanken, Spannungen und Gefühlen. Oft haben wir Geschichten parat für die Ursachen, die uns hierhergeführt haben.
Es scheint komplex und kompliziert.
Häufig fühlen wir uns dann für eine Weile richtig miserabel.
Die Erwartung, dass die Auswirkung des Anhaltens gleich zu Beginn eintritt, ist weit verbreitet, aber leider recht unrealistisch.
Wir müssen bereitet sein, mit unseren Spannungen, Gefühlen und Geschichten zu sein, sie zu spüren, uns mit ihnen anzufreunden und ihnen zuzuhören. In ihnen steckt Weisheit.
Eine weitere Falle könnte der Versuch sein, sich „optimal“ auszuruhen, sich zu sehr zu konzentrieren und zu bemühen.
Perfektionismus und eine sehr hohe Erwartungshaltung an uns selbst und an die Ruhe können dazu führen, dass wir uns zu sehr bemühen oder konzentrieren, um uns möglichst effektiv auszuruhen. Aber dies erzeugt Druck und dieser Druck kann das gesamte Potenzial eher beschränken.
Indem wir uns dafür entscheiden, nicht auf die verinnerlichten sozialen oder familiären Muster zu reagieren, die oft starke Schuldgefühle in uns auslösen, schaffen wir den Raum, in dem wir zunächst uns selbst, und, in Folge, allen anderen Menschen in unserem Leben besser dienen und behilflich sein können.
Wir schaffen Kapazität, werden präsenter, leichter, fröhlicher, geduldiger, freundlicher.
Wir treffen bessere Entscheidungen.
Ruhe ist ein Geschenk, das man sich zuerst selbst macht, und in Folge profitieren auch alle anderen davon.
Wenn wir uns selbst Raum für Ruhe schenken entscheiden wir uns in Wirklichkeit für etwas Wundervolles, Wichtiges und sehr nährendes.
Wir schaffen inneren Raum, in dem wir uns entspannen können, selbst wenn wir vermeintlich etwas „verpasst“ haben, und ohne Schuldgefühle oder Mangelbewusstsein die Füße hochlegen.
Ruhe ist ein vollkommen natürlicher Zustand.
Daher gehen die meisten von uns davon aus, dass wir wissen, wie man sich ausruht, und in gewisser Weise wissen wir das natürlich auch.
Ruhe ist instinktiv und geschieht seit Anbeginn der Zeit.
Was aktuell jedoch anders ist, ist, dass das Tempo, der Umgang mit Informationen und Technologie und – ganz einfach – das Brummen und Treiben einer manchmal verrückten und fordernden Welt es schwieriger machen, den Stecker zu ziehen oder den Flugmodus zu aktivieren.
Wir sind aufgefordert uns wirklich bewusst für Pausen, Ruhe und Entschleunigung zu entscheiden, um inneres Gleichgewicht und Gesundheit zu wahren.
Das erfordert Mut, Vertrauen in das Leben und in uns selbst. Es erfordert die Auseinandersetzung mit dem Gefühl „nicht gut genug“ zu sein, uns Pausen durch harte Arbeit verdienen zu müssen und Ängsten davor, dass es nicht genug gibt: Zeit, Raum, Geld, Fürsorge, …
Der gegenwärtige Augenblick ist der Moment, in dem Zeit und Raum zu einer Einheit verschmelzen. Wenn wir vollkommen präsent sind, entsteht dieser magische Effekt, durch den wir plötzlich das Gefühl haben, die Zeit würde sich ausdehnen und es gibt genug von allem, was wir brauchen.
Diese Erfahrung führt wiederum zu einem Gefühl der Entspannung und aus dieser Entspannung heraus vergrößert sich unsere Kapazität im Umgang mit dem, was uns im Alltag begegnet.
Aus diesem Zustand heraus können wir dann sogar lernen uns in die Ruhe hinein zu entspannen, auch wenn wir gerade sehr gefordert und beschäftigt sind.
Kommentar schreiben
Vanessa (Dienstag, 26 November 2024)
Liebe Tanja,
Danke Dir für Deine wundervollen Zeilen, ich fühle diese sehr ❤️